Das Brunnmatt-Schulhaus: Restaurierung einer Betonskulptur

Das 1960–1965 entstandene Brunnmatt­-Schulhaus besteht aus einem Ensemble von mehreren Bauten und plastischen Objekten aus Sichtbeton, die durch eine sorgfältige Umgebungsgestaltung miteinander verbunden sind. Geschaffen hat es der Bildhauer, Architekt und Theoretiker Walter M. Förderer (1928–2006). Seine Bauten sind skulptural geformte Gebäude aus schalungsroh belassenem Beton, verschachtelte Gebilde, die dem formlosen Material Beton eine Form geben. Witterung und Umweltverschmutzung setzen Sichtbeton jedoch gehörig zu – weshalb eine umfassende Betonrestaurierung am Brunnmatt­Schulhaus nötig war.

Das Brunnmatt-Schulhaus – ein wertvolles Baudenkmal eines bedeutenden Architekten

Das zentrale Brunnmatt-Schulgebäude mit Freitreppe und Betonskulptur kurz nach der Fertigstellung 1965. Foto: Archiv Kantonale Denkmalpflege Basel-Stadt

Walter M. Förderer zählt zu den herausragenden Persönlichkeiten der Schweizer Nachkriegsarchitektur. Sein Schaffen war stets von der Bildhauerei – die er an der Kunstgewerbeschule in Basel studiert hatte – durchdrungen. Die unverwechselbaren Bauten Förderers – Sichtbetonskulpturen, die aus dem Zusammenspiel von Masse, Licht und Schatten ungeahnte Raumgebilde inszenieren – entstanden in einer kurzen Zeitspanne und sind von formaler Geschlossenheit geprägt. 1956–1964 arbeitete Förderer mit Rolf G. Otto zusammen, 1958–1964 bestand die Bürogemeinschaft Förderer, Otto und Hans Zwimpfer. Bekannt wurden die Architekten vorerst mit Schulbauten, insbesondere der Universität St. Gallen (HSG, 1959–1963), später folgten Kirchenbauten, unter denen Saint-Nicolas in Hérémence (1968–1971) zu den bedeutendsten zählt. Förderers Einfluss als Architekt und Theoretiker reichte weit über die Grenzen der Schweiz hinaus und hinterliess Spuren vor allem in Deutschland – Förderer unterrichtete 1965–1993 in Karlsruhe – und in Österreich.

Wie bei allen andern Bauten Förderers wurde auch beim Brunnmatt-Schulhaus eine äusserst sorgfältige Detailplanung geleistet. Keine Fuge, keine Kante und auch kein Schalungsbild wurden dem Zufall überlassen, jede Lösung in ihrer räumlichen Wirkung studiert und oft in Varianten geprüft. In diesem Ringen um die endgültige Form aus der formbaren Betonmasse widerspiegelt sich der gleiche schöpferische Prozess, wie er auch für das Entstehen einer Skulptur charakteristisch ist. Das Resultat ist eine in höchstem Mass individuelle Architektur, die sich entschieden von den Bestrebungen nach einer umfassenden Industrialisierung im Bauwesen distanziert. Oder von den weitverbreiteten Stahl-Glas-Konstruktionen, wie sie ein nüchterner Bauwirtschaftsfunktionalismus in den 1960er Jahren hervorbrachte.

nach oben

Restaurierter Beton und energetisch optimierte Originalfenster: Das im Süden des Brunnmatt-Areals gelegene Schulgebäude nach Abschluss der ersten Restaurierungsetappe. Foto Reto Bieli, Kantonale Denkmalpflege Basel-Stadt
Restaurierter Beton und energetisch optimierte Originalfenster: Das im Süden des Brunnmatt-Areals gelegene Schulgebäude nach Abschluss der ersten Restaurierungsetappe. Foto: Reto Bieli

In diesem Sinn ist das Brunnmatt-Schulhaus ein wichtiger Zeuge aus einer Zeit, in der nicht nur Persönlichkeiten wie Walter M. Förderer in ihrer Architektur mit der Skulptur liebäugelten, sondern in der es ganz generell um eine Art Regeneration der Moderne ging, die insbesondere Le Corbusier mit seinen massigen Sichtbetonbauten – er prägte den Begriff béton brut, woraus dann «Brutalismus» wurde – initiiert hatte.

Darin liegt der architekturhistorische Wert dieses Gebäudes begründet. Und um diesen auch für nachfolgende Generationen bewahren zu können, sind bei der Restaurierung solch wertvoller Bauten nicht nur materialtechnische Anforderungen zu berücksichtigen, sondern auch die ursprünglichen gestalterischen Absichten der Baukünstler.

Erste Restaurierungsmassnahmen 1988–1992

Die Oberflächen der Schulhausfassaden waren konstruktions- und witterungsbedingt bereits in den 1980er Jahren stark karbonatisiert, wodurch die Armierungen teilweise zu rosten begannen. Dies führte vielerorts zum Abplatzen des Betons. Parallel zum chemisch-physikalischen Prozess unter der Betonoberfläche vollzog sich eine natürliche Abwitterung der obersten Zementhaut, die das für den rohen Beton so typische Schalungsbild zeigt. Beide Prozesse bewirken direkt und indirekt markante Veränderungen in Erscheinung und Substanz des Betons. 1988–1992 wurde deshalb eine erste Restaurierung der Fassaden durchgeführt. Durch hydrophobierende Anstriche wurden das Eindringen von Wasser in den Beton reduziert und der weitere Zerfall verlangsamt. Zudem konnte mit dem Aufbringen einer Schlämme eine gewisse Vereinheitlichung des Fassadenbilds erzielt werden. Diese Massnahmen hielten den Zerfallsprozess zwar auf, hatten aber zur Folge, dass das ursprüngliche Erscheinungsbild des Sichtbetons an Ausdruckskraft und Authentizität verlor – etwa durch die witterungsbedingte Verfärbung der aufgebrachten Materialien.

Der aktuelle restauratorische Ansatz

Im Rahmen der Restaurierungsarbeiten werden auch die Innenräume des Brunnmatt­Schulhauses sorgfältig instandgesetzt. Foto Erik Schmidt
Im Rahmen der Restaurierungsarbeiten werden auch die Innenräume des Brunnmatt­Schulhauses sorgfältig instandgesetzt. Foto: Erik Schmidt

Bei der aktuellen Restaurierung wurde versucht, möglichst viel originale Bausubstanz zu erhalten. Auf ein grossflächiges Aufbetonieren oder gar ein Abspitzen und Vorbetonieren der Betonoberflächen wurde verzichtet, da diese Massnahmen die Zerstörung der originalen Bausubstanz zur Folge gehabt hätten. Die ausführende Firma entfernte die bei der ersten Restaurierung aufgebrachte Schlämme mit dem Wasserstrahlverfahren, legte die örtlich korrodierten Armierungseisen frei und strich diese mit Korrosionsschutzfarbe. Schliesslich wurden Fehlstellen mit Mörtel ausgefüllt, die Betonoberfläche mit einer neuen Schlämme versehen, hydrophobiert und die Flickstellen farblich retuschiert. Die originalen Fenster konnten durch eine Auswechslung der Gläser energetisch verbessert und erhalten werden, was erheblich günstiger kam als der Ersatz durch neue Holzfenster oder Holz-Metallfenster.

Reto Bieli, Klaus Spechtenhauser

nach oben

Weitere Beispiele

Dieser Beitrag stammt aus dem Jahresbericht der Kantonalen Denkmalpflege 2012, in dem Sie weitere Beispiele für gelungene Restaurierungen finden.

Jahresbericht Kantonale Denkmalpflege Basel-Stadt 2012 (PDF, 11,8 MB, nicht barrierefrei)